Welch ein Jahr wir gerade erleben! Ich bin wirklich sehr gespannt was die Geschichtsbücher mal über diese Covid-Zeit schreiben werden.

Über ein Jahr ist seit diesem 15. März ins Land gezogen. Ich kann das kaum glauben. Ich treffe auf viele Menschen, die mit Sorge in die Zukunft blicken. Ich treffe Viele, die sehr müde und angestrengt sind. Viele, die so Manches einfach nicht verstehen. Viele aber, sind voller Hoffnung, dass es endlich bergauf geht! Wir haben in diesem Jahr viel Neues entdeckt: zahlreiche Spazierwege, die Schönheit der Natur um uns, Brettspiele, Kochrezepte, Nachbarschaftshilfe, Individual-Sportarten, Homeoffice usw. und sind in der Digitalisierung große Schritte gegangen. Manche Distanzierung ist uns längst zu viel geworden, manche Nähe jedoch ebenso. Manchmal erleben wir unser Zuhause als sicheres Nest, manchmal als Druckkochtopf. Mitte Mai werden auch größere Kinder wieder täglich die Schulen besuchen und wir wieder mehr in Kontakt kommen. Zugleich warnen viele: „Normalität“ wird noch länger auf sich warten lassen!

Wir haben es mit sehr vielen Regeln zu tun derzeit. Sowas wie „Ausgangsbeschränkungen“ und Verhaltensregeln, kennen viele von uns aus der eigenen Kindheit. Ich denke oft, dass wir Eltern und Pädagogen*innen in dieser Position eigentlich sehr viel Empathie für den Alltag von unseren Kindern entwickeln müssten. Ist es doch für Kinder in unserer Gesellschaft immer noch üblich, Regeln oder Anweisungen zu folgen, ohne dass ihre Eigenverantwortung oder ihre Haltungen dazu groß thematisiert werden. Vielleicht nutzen wir dieses Gefühl am eigenen Leib künftig ein wenig mehr im Begleiten unserer Kinder? Im Dialog mit ihnen, im Einfühlen und für das Schaffen einer bewusst mehr „gleichwürdigen“ Beziehung?

Was machen unsere Kinder in dieser verrückten Zeit? Sie stellen sich dem was ist und fokussieren auf den Moment und auf ihre Gefühle. Was macht in diesem Moment für mich Sinn? Was will ich gerade jetzt? Was will ich nicht? Was fühle ich gerade jetzt? Kinder beziehen sich primär auf die Gegenwart! Sie brauchen auch unsere Begleitung immer „jetzt“, egal was uns gerade beschäftigt. Wir Erwachsene denken sehr viel in Zusammenhängen und ans Morgen. Damit begleiten und nerven(!) wir unsere Kinder/Schüler. Es macht natürlich Sinn, dass wir uns dafür stark machen. Handeln hat Folgen, Nichthandeln auch. Kinder können lange dafür nicht die alleinige Verantwortung tragen, daher ist es gut, sie dabei zu unterstützen.

Aber auch wir dürfen von Ihnen lernen. Von ihrer Kernkompetenz des viel mehr in der Gegenwart Seins. Im Jetzt, Hier und Heute. Es wäre gesund, wenn es in beide Richtungen geht und wir Kinder mehr auch als unsere Lehrmeister anerkennen könnten. Denn bei der Ausrichtung auf den Moment, haben wir viel Lernbedarf! Vielleicht hat dieser schreckliche Virus zumindest das in uns gestärkt, dass wir alle ein wenig mehr im Jetzt sind! Plötzlich ist die Zukunft kaum planbar, lässt sich kaum valide vorausdenken? Dauernd ist alles anders! Keiner weiß was kommt! Linear, Schritt für Schritt hinzu auf unsere Ziele, wie man uns immer erzählt hat, so geht es nicht mehr.

Wir reden schon seit dem Beginn der Digitalisierung und unserer immer schneller werdenden Zeit davon, dass Unternehmen agil werden müssen. Gilt das vielleicht durch diese große Unsicherheit, wie alles weitergeht generell für Menschen und unsere Familien? Was heißt das? Agil steht für Qualitäten wie beweglich, schnell, flexibel, anpassungsfähig, reagierend, wandelkompetent, dynamisch, gut selbstorganisiert, analysierend, …-? Alles klar. Und wo nehmen wir dann Orientierung und Halt her, in all dieser ständigen Beweglichkeit? Braucht man das nicht mehr, denn wir sind ja flexibel? Falsch, das alleine wird nie funktionieren! Denn ja, der Mensch will zwar ständig Neues und dank einer neuen Welt, ist das mehr geworden als je zu vor. Aber der Mensch braucht trotzdem auch Halt und Orientierung. Beides, als Pole und dennoch untrennbar miteinander verbunden.

Aber wo finden wir diese Orientierung in dieser schnellen, unsicheren, wandelbaren Zeit? Mir fallen da zwei klare Antworten ein, wo.
Die eine heißt, IN UNS! Und die zweite: IN UNSEREN BEZIEHUNGEN! Alles was kommt, muss ich abgleichen mit meinen Werten, meinen Bedürfnissen und meinen Grenzen und im Kontakt mit den Menschen, die mir wichtig sind. Funktionieren um jeden Preis? Nein danke, das geht sich nicht mehr aus. Alles machen was ich will und wovon ich träume? Gerade eine schwierige Zeit dafür. Es geht nicht nur um das, was ideal wäre, sondern um das was jetzt entstehen kann, was auch Neues wachsen kann, im Moment! Diese Krise bedroht unser Leben und unsere Gesellschaft. Wir sichern derzeit oft hauptsächlich Grundlegendes ab, versuchen „durchzuhalten“. Und trotzdem dürfen, ja müssen wir Visionen haben, Ziele und Entwicklungswünsche! Aber diese sollten beweglich bleiben im engen Austausch mit unserem ganz persönlichen „Eigensinn“ und dem Geschehen um uns. Da unsere Linie zu finden, braucht viel Selbsterkennen, aktives Handeln und immer wieder neues Ausrichten. Und das braucht auch viel bewusstes „ja“ oder „nein“ sagen.

Viele Eltern und viele LehrerInnen waren sehr gefordert mit Distance Learning, Homeschooling, Homeoffice, Kurzarbeit, Jobverlust und vielfältigen Bedürfnissen auf engem Raum. Und jaha, es geht nicht alles! Ich kann nicht 100% top Lehrerin zuhause für mehrere Schulstufen sein und einen Top-Job machen. Ich kann keine Rolle spielen und meine Überforderungen stets überspielen. Das ist weder gesund noch kann daraus was Sinnvolles wachsen. Aber deshalb zurück zum Modell Hausfrau und Vollzeitmann? Ist es das was wir wirklich wollen?
Wäre es nicht an der Zeit, endlich wirklich neue Wege zu finden? Für das was Schule sein soll und sein kann? Für das wie wir mit Lernen und Lehren umgehen? Für das, wie wir Familie, Beziehung, Partnerschaft, Generationenverträge,… leben wollen? Wir machen seit vielen Jahren eigentlich dasselbe. Und merken zugleich, dass es nicht stimmt. Dass alte Modelle und unser neues Leben nicht zusammenpassen und dennoch versuchen wir das mit aller Kraft aufrechtzuerhalten. Vielleicht geht das jetzt nicht mehr. Vielleicht ist es wirklich an der Zeit für echte Veränderung auf vielen Ebenen?

Wie könnten wir beginnen?
Wir können bei uns selbst beginnen. Das macht am meisten Sinn! Hier haben wir die wahre Gestaltungsmöglichkeit! Zuerst könnten wir aufhören uns drüberzuschummeln. Was ich damit meine?

Es ist Zeit, echt zu sein. Mich echt zu spüren, mich echt zuzumuten, zu zeigen was in mir ist.

Es ist Zeit, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Überforderung zuzugeben.

Es ist Zeit, selbstverantwortlich zu agieren. Wofür kann und will ich selber die Verantwortung übernehmen? Wofür nicht? Das braucht unglaublich viel Klarheit.

Sei es im Homeoffice zwischen Mitarbeiter*in und Chef*in, sei es zwischen Lehrkraft und Eltern, zwischen Ministerien und Menschen, … Auch da kann man von Kindern lernen. Sie kämpfen stets für ihre Eigenverantwortung mit vollem Einsatz!

Wir sollten klären, wofür kann und will ich Verantwortung übernehmen, was kann und will ich jetzt unter diesen außergewöhnlichen Bedingungen leben, was nicht. Wofür trage ich die Konsequenzen. Diese Klarheit kann Beziehungen und Systeme nachhaltig sinnvoll verändern. Das alles kann uns sogar in eine ganz besondere Kraft und Stärke bringen.

Es ist aber auch Zeit, dass wir uns mal wieder fragen: Was heißt für uns Gemeinschaft? Orientieren wir uns bewusst daran, dass jedeR bekommt was er/sie braucht? Dann ist es wichtig, Risikogruppen zu schützen, aber auch aktiv zu beteiligen in der Frage, was sie wirklich brauchen. Und dass wir uns Gedanken machen, wie wir das als Gesellschaft schaffen, Schwächeren ein Sprachrohr zu geben. Kinder haben keine Gewerkschaft, die sagt: die Bedingungen im Homeschooling und Lock Down sind nicht zumutbar. Ich brauche meine Freunde, andere Menschen die meinen Horizont erweitern, Unterstützung, Beziehungen nicht nur den Rahmen meiner Familie! Ist es nicht unsere Aufgabe sie in der Gegenwart zu schützen, statt immer an dieser linearen Zukunft festzuhalten, wo wir wissen was sie heute tun müssen, koste es was es wolle, um irgendwann das und dies zu können? Die Triage die wir für die Intensivstationen befürchtet haben, kam für die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Vielen Kindern geht es schlecht in dieser Zeit. Vielleicht sollten wir endlich überlegen: Macht dieser Druck eines linearen Weges „für alle gleich“ noch irgendwie Sinn? Noch dazu koste es was es wolle? Der Preis den wir derzeit zahlen ist hoch.

Es ist Zeit, ehrlich zu sein. Zu uns und zu den Menschen um uns.

Dazu gehört auch, endlich zuzugeben: Für das was da gerade rennt, haben wir alle keinen Plan! Niemand! Wenn wir das endlich offen aussprechen, kann aus einem chaotischen Versuch alles im Griff zu haben, endlich eine Kompetenz wachsen. Wandelkompetenz? Bedarfsorientierung? Werkstätten? statt fertigen Dingen, die schlichtweg nicht passend sind. Aufrichtig und situationsbezogen zu agieren, das ist mein Bild von einem sinnvollen Miteinander. Im Moment sein, immer mit Kontakt zu meinen Werten und eine Ausrichtung zu haben, auf die ich mich zubewege, mit dem Mut zum persönlichen Wandel.

Und all das ist so neu, dass wir keine Vorbilder oder Erfahrungen dazu haben. Dass wir das alles selber erarbeiten müssen, aber genau dadurch auch können! Denn neue Wege gehen, heißt auch gestalten!

Würdigen Sie Ihren Weg! Würdigen Sie Ihre Gegenwart! Und festigen und öffnen Sie sich zugleich, für all das was die Zukunft bringt und gestalten Sie diese aktiv mit!

Neue Wege gehen braucht Mut und Raum für Reflexion.
Sich dabei auch begleiten zu lassen, macht Sinn.

Denn all das braucht viel von uns. Wir sollten unsere Muster umarmen, beackern und würdevoll verabschieden und klare Ideen für ein „Stattdessen“ bekommen, statt sie vom Hof zu jagen und uns selbst abzuwerten, mit den Worten „Das müsstest Du doch besser können.“ Dabei helfen uns oft gute Beziehungen. Manchmal ist es aber auch gut, mit jemand außenstehenden daran zu arbeiten. Deshalb arbeite ich trotz der Bedrohung von Covid weiterhin auch live, solange und wie das die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben, denn es ist notwendig, sich gerade jetzt auszutauschen, seine Muster zu hinterfragen, auf Neues zu fokussieren, seine Stärken zu stärken und sich nicht so alleine dabei zu fühlen! Ich bin dabei gerne für Sie da, mit all meinem Wissen und meinem ganzen Herzen und freue mich Sie mit Impulsen oder persönlicher Begleitung zu bereichern und über Ihren ganz individuellen Weg zu staunen. Persönlich individuell, als Familie, als Schule oder aber auch als Unternehmen!

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