Lang ist es her. Hmmm… Sehr lang. Zwei erschöpfte Eltern liegen nebeneinander. Sie denkt ans wahrscheinlich 3x aufstehen, wegen der verschnupften Nasen. Er denkt an den schwierigen Termin morgen. Da fällt ihr ein, dass sie morgen eine Powerpoint machen muss und sie denkt darüber nach wie sie das einfügt in den dichten Bürovormittag. Er denkt, hab ich den Kindern nicht versprochen sie morgen mal abzuholen, wie soll sich das ausgehen? Sie denkt, ah die Hubers warten auf unsere Zusage. Sie zückt den Kalender und sagt: „Wir müssen uns 200 Sachen ausmachen…“

Er schaut sie an. Sie schaut süß aus so zerzaust und a bissi überfordert. Nähe? Sex? Wie lang ist das her. Das kann doch nicht sein? Doch um sie jetzt da abzuholen, wo sie jetzt ist, im Mama-Bussinessfrau-Planungsmodus braucht sie sicher hmmm… laaaanges Massieren und dann schläft sie womöglich ein. Und vor allem, hab ich jetzt gar nicht die Power für dieses Programm. Ich bin einfach viel zu k.o. Aber andererseits, ich bin so unrund und so im Kopf, alles ist grad so anstrengend und einfach mal alles ausschalten da oben… Und sie ist einfach eine sexy Frau. Ja, Sex wäre jetzt einfach mal wieder gut.

Er grinst und sagt: „Wie wär es denn mit Sex ohne Vorspiel?“. Er weiß selbst nicht, ob er das ernst meint oder einfach ganz bei sich laut denkt. Sie schaut ihn an, kurz schaut es aus, als würde sie ihn anschreien, dann schweigt sie eine kurze Weile, dann wird ihr Gesicht ganz weich und sie sagt: „Wie wäre es denn mit Vorspiel ohne Sex?“. Denn das ist der Planet auf dem sie gerade wohnt. Sexy, wild und ungehalten? Nein, müde, dauerrennend wie der Hamster im Radl, sich selber nicht spürend, wie sollen da Gefühle in einem tanzen? Aber massiert werden, gestreichelt, Haut spüren, anlehnen, das wäre jetzt schon sehr gut. Aber nur zum Loslassen, zum sich Spüren. Ohne Erwartungen. Ja, überhaupt einmal sein, ohne jemandens Erwartungen zu erfüllen. Unausgesprochene meist noch dazu.

Aber vielleicht auch besser einfach nur daliegen und ich sein und keiner erwartet was, greift mich an. Schlafen. Jedenfalls spontaner Vollgas Sex ist weit weg. Ungefähr so weit weg wie der letzte Paarurlaub vor den Kindern. Das Basteln. Aber da, da hat sie jede Nacht durchgeschlafen, ging in Yoga, in die Sauna, war Frau. Frau, Frau, nicht Mama.
Beide denken: Wie sollen wir uns da jemals wieder treffen?

Wenn Vorwürfe, Erwartungen (ausgesprochen und heimlich) und Unverständnis überwiegen, wird es schwer aus dieser Sackgasse rauszufinden. Wenn das Paar es schafft darüber lachen zu können und gemeinsam zu überlegen, wie verstehen wir einander in unserer Bedürfnis-Welt ohne Vorwürfe und welche Schritte können wir machen um uns zu begegnen, dann wird es wieder spannend.
ICH SEHE DICH, ich sehe was Du leistest, ich sehe wer Du bist und was Du brauchst, ist wohl das Vorspiel das wir alle brauchen.

Und manchmal braucht es zuerst ein (wieder)finden des ICH, vor dem WIR. Können wir einander helfen, auch wieder mal ich zu sein und ich zu sagen? Friseur, Sport, Kino,… „ich“ sein, Frau sein, Mann sein, nichts tun statt checken, versorgen, usw. Denn sonst muss beim Sex jeder das „ich“ des anderen bedienen und da steckt zuviel drin an Erwartung, da kann man leicht scheitern.

Das Sexleben von „Jung“-Eltern ist eine Herausforderung, aber es tut allen gut, wenn das nicht unter dem Tisch verdrängt wird, sondern Raum bekommt. Und nicht einfach und linear aus EINER Sicht, sondern in seiner Komplexität gesehen wird.

Und dann darf und muss der Kopf frei sein, frei gemacht werden. Und dann ist es auch egal, wer wen wo abholt ;-). Sex nährt uns und gibt Kraft. Denn, diese Ebene nährt das Liebespaar. Und dieses Liebespaar lohnt es sich wachzuküssen wie Dornröschen, denn sonst bleibt nur das Elternpaar übrig und da fehlt etwas sehr Wichtiges. Für sie, für ihn und im ganzen Familiensystem. Auch unsere Kinder werden stark entlastet, wenn wir unser ICH pflegen.

In diesem Sinne, Winterzeit ist Kerzenzeit, viel Spaß beim Neubegegnen und -entdecken!

Foto: sör alex / Quelle PHOTOCASE