Ich erlebe oft Eltern, LehrerInnen oder Paare die sagen: „aber man muss doch wenigstens erwarten können…“
. Da klingelt stets meine Beraterinnen Alarmglocke, weil ich immer wer bin, der versucht alle Beteiligten zu sehen. Deshalb möchte ich meine Erkenntnis dazu mit Ihnen/Euch teilen. Natürlich kann man alles Mögliche erwarten, aber Erwartungen sind eine große Gefahr in Beziehungen. Wenn nicht sogar Gift!
 Denn da geht es um einen von Jesper Juul beschriebenen Wert, der in Beziehungsfragen sehr oft ein sehr tragender ist, nämlich um Verantwortung! Ganz einfach auf den Punkt gebracht:

Für meine Erwartungen bin ICH verantwortlich, NICHT DU!

Was kann ich von einem Kind erwarten? Was von meinem Partner? Natürlich alles! ABER ich muss wissen, das sind meine Erwartungen. Das Kind ist nicht dafür verantwortlich, das zu erfüllen. 
Natürlich haben wir gewisse Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie was ein Kind in dem und dem Alter/ Schulstufe können soll, wie ein erwachsener Mann sozialisiert sein sollte, usw. Aber da reden wir immer von statistischen Größen. Nicht von Julia, Yussuf und Jakob in ihrer Welt, ihrer Geschichte. Alles was nicht in der Norm ist, machen wir damit falsch oder setzten gar fest, er/sie braucht zum Beispiel Therapie. Erwartungen machen Druck und werden oft nicht mal ausgesprochen. Wenn, sind sie oft so klar aus meiner Welt und Art, dass sie ein anderer Mensch mit anderen Werten, Zugängen, Erfahrungen, Charakter, Möglichkeiten, Fähigkeiten, Geschichte, gar nicht so erfüllen kann, wie ich mir das vorstelle.

Wir haben oft Träume, Ideen, Wünsche oder klare Vorstellungen von etwas. Das ist auch o.k., es ist nur wichtig, dass wir uns stets klar machen, jeder schaut immer nur aus den eigenen Augen auf die Welt, hat andere Startbedingungen, Wertigkeiten, Möglichkeiten. Natürlich dürfen wir was erwarten, dürfen wir uns was wünschen, dürfen wir was einfordern, was uns sehr wichtig ist. Mir geht es dabei darum, zu erklären, dass es gesund für uns ist, für unsere Klarheit und Integrität, wenn wir das ganz persönlich machen. Und für eine gute Beziehung ist das das beste Rezept.

Wenn ich nicht erwarte, dass MAN das oder jenes macht, sondern sagen kann, für MICH ist es wichtig, dass… ohne dass ich damit sage der andere ist falsch. Es ist besser von uns und unseren Wünschen zu erzählen, statt klare Erwartungen wie Bestellzettel aufzugeben. Damit machen wir uns sichtbar. Dieses ICH ist besser als ein DU, denn da passiert viel mehr Begegnung und Beziehung. Und der andere bekommt Raum für sein Erleben und sein Sein. Weg von bloß richtig oder falsch.

Und falsch gemacht werden ist schmerzlich. Das könnten wir in guten Beziehungen einfach weglassen. Das wäre ein großes Geschenk an uns und die die uns wichtig sind.

Herzlichst,
Ruth Karner

Foto: Marie Maerz / photocase.de