Dieser Beitrag kann auch als gesammelter Inhalt: Grundhaltungen „Schulkinder zu Hause begleiten“; Vertiefende Praxistipps für Volksschulkinder (6 bis 10 Jahre); Vertiefende Praxistipps für Kinder in der Unterstufe in Gymnasien / Mittelschulen (10 bis 14 Jahre); im PDF Format runtergeladen werden.

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Bitte zuerst meinen Text Grundhaltungen Schulkinder zu Hause begleiten lesen. Dieser erklärt die Basis, auf die diese weiterführenden Tipps aufbauen:

Kinder brauchen aktive Eltern, die Orientierung geben. Das heißt in der Praxis für ein Volksschulkind: Eltern können gemeinsam mit den Kindern einen fixen Zeitplan entwickeln, um einen Rahmen zu halten für die Schulthemen zu Hause. Sie können sie aktiv begleiten UND ihre Selbstständigkeit stärken. Hier gibt es konkrete Tipps dafür:

Fixes Zeitfenster, immer gleich

Lasst die Kinder gemütlich in den Tag starten, ein wenig spielen in der Früh. Vermeidet den Konsum von Fernsehen und Computerspielen in der Früh. Das schnelle, bewegte Bild hinterlässt ein Hirn, das nicht ideal zum Lernen drauf ist. (Fernsehen kann dann danach, z.B. im „Suppenkoma“ nach dem Mittagessen, noch genügend Raum bekommen. Die ORF-Sendungen kann man z.B. alle im Internet in der TV-Thek nachschauen!)

Freies Spielen ist ideal in der Früh!

Startet dann immer AM VORMITTAG mit einer Studierphase zu einer fixen Zeit. Ich empfehle 8.30 oder 9.00 Uhr. Immer gleich, um die täglichen Diskussionen zu vermeiden. Kommen diese auf, sagt: „Ihr habt keine Schule, aber auch keine Ferien. Wir haben den Auftrag vom Staat, zu Hause zu arbeiten. Statt 4-6 h Schule und dann Hausübung arbeiten wir nur am Vormittag! Das ist doch eigentlich super! :-) Und das ist die Studierzeit, die ich vorschlage, damit wir alle am Nachmittag frei haben.

Selber, aber nicht alleine

Das Kind sollte seine Eigenständigkeit nicht verlieren und daher UNBEDINGT immer wieder alleine arbeiten und nicht für jeden Strich von Ihnen angeleitet werden. Das beginnt schon beim eigenständigen Nachschauen, was denn heute dran ist. Bleibt in der Nähe (greifbar bei Fragen), arbeitet aber nicht konstant mit ihnen mit. Das heißt, ich schreibe oder lese auch etwas am selben Tisch neben dem Kind, kann bei Fragen da sein, wende mich aber wieder meinen Dingen zu. Oder ich mache Hausarbeiten (Wäsche zusammenlegen, …) im selben Raum. Das hat den Nachteil, dass ich öfter aufstehen muss, den Vorteil, dass das Kind/die Kinder alleine sitzen.

Der Plan

Macht jede Woche gemeinsam einen Wochenplan. Dabei gebt Ihr Arbeitspakete, die fix jedem Tag zugeordnet sind, vor und zudem einen Bereich, der über die ganze Woche erledigt werden kann und wo das Kind täglich selber bestimmt, was es davon an welchem Tag macht. Das sollte ca. 2/3 fix und 1/3 frei sein. Idealerweise ist jedes Arbeitspaket ein Post-it und es gibt eine Ziellinie, wo es nach Erledigung „rübergeklebt“ werden kann. Diese sollten bleiben und immer mehr werden, dass das Kind sieht, was es schon geschafft hat.

Vom Mix her: Nicht 2 Mathebeispiele, dann Deutsch, dann wieder Mathe … Es macht Sinn, wenn sich die 3 Schulstunden immer aufteilen in 2-3 Bereiche aus Zeichnen, Malen, Basteln/Werken, Deutsch, Rechnen und Sachunterricht. Und dann immer ein kleiner, kompakter Block aus jedem Fach drankommt. Dann ist für Abwechslung gesorgt. Mehrere Wechsel stressen das Kind. Die kleinen Pausen alle ca. 15 min nicht vergessen!

Setting & Rahmen

Achtet dabei GEMEINSAM auf folgende Dinge:

  • Ein guter Arbeitsplatz (Küchentisch? Ist näher an den Eltern dran.)
  • Lernen mehrere Kinder, ist es wichtig, dass sie einander nicht stören. Genügend Abstand, unterschiedliche Zimmer (Kopfhörer, die die Geräusche wegfiltern, gibt es online ab 14 Euro.)
  • Das tägliche Pensum soll klar sein.
  • Wasserglas immer dabei
  • Konzentrationsphasen/Pausen: Es gilt die Faustregel „Alter mal 2“ für zusammenhängende Konzentrations-phasen, dann sollten MINI-Pausen ohne Verlassen der Arbeitsatmosphäre folgen (kurze, bewegte Pausen mit Arme kreisen, Einbeinstand, Hampelmann springen, Jonglieren, kurz auf den Boden legen, kurz die Augen schließen und was vorstellen, träumen, ein Lied von einer CD anhören …)
  • Nach ca. 1 h 30min braucht ein Volksschulkind eine Jausen-Pause von 15 min Dauer. Dann kann es noch einmal für 45 min arbeiten. Diese Phase in einer anderen Position weiterarbeiten (z.B. mit den Heften am Fußboden hinlegen, usw.).

Weniger ist mehr

Ich bin ein großer Fan von „weniger ist mehr“, weil ab einem gewissen Punkt Üben und Hausübung absolut NICHTS mehr bringen. Es geht viel mehr um die eigene Stimmung, in der wir lernen, damit es effektiv ist! Diese ist zu Hause viel schwieriger zu halten als in der Schule! Daher bitte, bitte die Kinder nicht 2x täglich mit Schulstunden behelligen! Die Qualität steht klar vor der Quantität, das hat die Hirnforschung längst bewiesen. Außerdem ist die Zeit zu Hause auch für die Eltern und deren Arbeit und für persönliche Prozesse wichtig, der Nachmittag darf also auch mal den Eltern gehören! Außerdem gibt es zahlreiche andere Settings, in den Kinder zu Hause lernen können (siehe auch Grundhaltungstext).

Daher empfehle ich, jeden Vormittag eine gute Sequenz von maximal 3 mal 45 Minuten. Die restliche Zeit sollte außerschulischem Lernen gewidmet sein: Spielen, Basteln, Hausarbeit, manches davon unbedingt miteinander!

Konzentrationsschwierigkeiten – Motivationsprobleme?

Verträumt, vergesslich, unkonzentriert, leicht abzulenken, überall nur nicht beim Heft … das ist oft bei „gezwungenen Aufgaben“, selten bei selbstgewählten und ist daher meistens eher ein falsch gedeutetes Motivationsproblem!

Konzentration liegt meist am Mangel an Wasser, Sauerstoff, Essen, Schlaf, Bewegung oder Pausen. Hat das Kind genug geschlafen? Geht es vielleicht zu spät ins Bett? Spielt es heimlich in der Nacht Computer? (Alles schon erlebt in der Praxis ;-). Bzw. kann es sein, dass ein kleiner Imbiss hilft, das geöffnete Fenster … Und: Hatte es genug Freizeit? Lernen wir zu viel?

Sonst geht es eher um die komplexeren Motivationsthemen, da hilft eventuell:

  • Wie kann ich Sinn finden, in dem was ich da mache? (Wofür kann das gut sein? Für welchen Beruf brauche ich das? Wer sollte das wissen, können usw.?)
  • Wie kann ich aktiv Interesse für das Thema schaffen? Manchmal ist das Hirn auszutricksen, in dem man sich fragt: „Was habe ich davon schon mal gehört? Weiß ich irgendwas zu dem Thema ohne mir was anzuschauen?“ Bevor ich anfange, das mal sammeln. Sobald das Hirn merkt, da kommt neues Wissen, das sich mit Altem verknüpft, beginnt es, das als wichtig einzustufen und ist sehr wach und offen.
  • Motivieren kann auch ein „Ich lass dich damit nicht alleine! Du tust es selber, aber ich bin da!“ Lächeln Sie das Kind an, wenn es Ihren Blick sucht. Nicken Sie aufmunternd zu. Sagen Sie sowas wie „Geht ja schon super, wird schon, lass dir Zeit …“ Einfach eine positive, unterstützende Atmosphäre schaffen.
  • Interessieren Sie sich für den Stoff, um den es geht. Bitten Sie das Kind, Ihnen das zu erklären, nicht umgekehrt. Sagen Sie absichtlich Dinge falsch und das Kind darf Sie korrigieren.
  • Den Erfolg sichtbar machen, darum die Post-it, die man dann gleich weiterkleben kann, wenn man das geschafft hat.
  • Smileys, Pickerl … kleine Belohnungen erhalten
  • Künstlichen Zeitdruck schaffen: „Ich stoppe dich! Ich bin gespannt, wie lange du für diese Aufgabe brauchst. Los!“
  • Fantasie dazu holen: „Du bist nun der Superheld xyz. Du hast 5 Minuten, um die Welt zu retten. Dafür musst du diese Aufgabe lösen. Sonst gewinnt Mister Dark gegen dich.“
  • Die freie Zeit danach betonen: „Jetzt da durch, dafür am Nachmittag frei. Was wirst du dann machen? Lass uns schnell eine Karte machen, mit dem was du dann planst und die stellen wir hier auf, damit du dich darauf freuen kannst. Die Eintrittskarte in diese Welt ist aber, diese Seite im Buch erledigt zu haben.
  • Und grundsätzlich gilt: „Je mehr ich selber wählen kann, umso höher wird meine Motivation normalerweise!“

Der Nachmittag sollte in jedem Fall frei von jeglicher „Schulform“ sein

Ihr könntet eventuell noch eine Sequenz Lesen einbauen, in der schulrelevante Texte aber auch Romane gelesen werden, aber nicht mehr. Es sollte diese besondere Zeit wirklich zum Folgen der eigenen Interessen genützt werden! Was interessiert dein Kind? Es könnte dazu ein Mindmap machen, wo es immer wieder nachschauen kann, welche Ideen es für freie Zeit hat. Natürlich darf auch Fernsehen oder Computerspielen dazugehören, freie Zeit sollte sich aber nicht nur damit füllen. Besprecht mit euren Kindern gemeinsam, wieviel Zeit sie dafür wollen und wozu ihr dabei nein oder ja sagen könnt.

Und bindet die Kinder in den Alltag ein. Lasst sie aktiv helfen bei der Hausarbeit, entwickelt ein Kochbuch und lasst sie kochen, usw. Es ist eine wahrscheinlich einmalige Gelegenheit im Leben, so viel selbstbestimmte Zeit zu haben. Nützt diese Selbstbestimmung aktiv und füllt nicht alles mit Schule. Denk daran, dass Kinder immer lernen und nutzt mal ganz andere Wege. Man könnte mal alte Familienlexika durchstöbern nach was, was einen interessiert, einen Familienchronik machen und die Großeltern am Telefon befragen, was sie als Kind für Spiele gespielt haben, ein Kochbuch mit Omas Lieblingsrezepten übers Telefon angesagt bekommen, eine Mondrakete bauen, eine Höhle aus Decken und Polstern bilden,… usw. Aber man darf auch mal Chillen, Spielen, Fernsehen, Computerspielen, Tanzen, Hörspiele hören, Malen,… usw.

Langeweile ist die große Schwester der Kreativität

Die Langeweile muss Raum bekommen. Wir müssen das nur aushalten und abwarten. Jedes Volksschulkind ist (NOCH!) kreativ. Fördern wir das durch Zurückhaltung statt pädagogischem Dauerprogramm!

Photo by Annie Spratt on Unsplash